Es ist Sonntag nachmittag, ich sitze also im ICE auf der Rückfahrt und versuche meine Gedanken zu ordnen.
Was garnicht so leicht ist.
Was schreibt man über ein Konzert?
Erst einmal ein paar Fakten. 7000 Besucher füllten die Zenith-Halle in München. Das diese voll war konnte man schon daran erkennen, dass die Orga sichtlich Mühe hatte, mit den Massen fertigzuwerden. Der Ansturm an die Garderobe war so gewaltig, dass die Leute vorne wirklich erdrückt wurden und man sich nur unter massivem Einsatz von Ellbogen wieder aus dem Gewühl herausarbeiten konnte. Eine Sperre und eine Schlange hätten da Wunder gewirkt. Natürlich konnte man im November nicht damit rechnen, dass soviele Jacken und Mäntel abgegeben werden.
Dann das Programm.
Über 3,5 Stunden Schandmaul ohne Unterbrechung, die Zugabe war etwas über einen halben Stunde.
Ich habe schon Konzerte erlebt, wo die Band nach einer Stunde zu ein bis zwei Nummern Zugabe überging.
Für dieses Konzert, dass auch die Band als etwas ganz Besonderes verstanden wissen wollte, hatte man eine komplett neue Bühnen- und Lichtshow, zwei Großbildleinwände und das gesamte Equipment für eine Live-DVD-Produktion aufgefahren. Dazu kamen Gastmusiker (Subway to Sally, Letzte Instanz) und ein Backgroundchor. Entsprechend voll wurde es auf der Bühne und so konnte Schandmaul ("zum wahrscheinlich einzigen Mal!" - Zitat Sänger Thomas) sogar die "Königin" spielen. Die Gastinstrumentierung verlieh gerade den wuchtigeren Stücken einen ungeahnten, orchestralen Klang.
Und so spielte Schandmaul als obs das letzte Mal wäre - eine Rundreise durch ihre gesammelten CDs und wirklich alle ihre bekannten Nummern waren dabei. Tempo war angesagt, gerade in der ersten Stunde jagte ein "Gassenhauer" den nächsten, alles betont urgewaltig, druckvoll und mit großer Spielfreude vorgetragen.
Natürlich gab es zwischendurch Moderationen von Thomas (einmal sogar Birgit), kleine Anekdoten aus der Bandgeschichte und Spielchen mit dem Publikum - ebenfalls eine Besonderheit von Schandmaul, die ich so ausgeprägt von keiner anderen Band kenne (Saltatio Mortis würde mir noch einfallen, wenn sie auf Mittelaltermärkten auftreten).
Aus den frühen Tagen gab es ein paar alte Stücke im neuen Arrangement. Dazu absolute Highlights, wie die drei Lieder des "Siegfried-Zyklus" hintereinander als Medley.
Zwischendurch gab es sogar eine reine Instrumentaleinlage von Bass und Schlagzeug, regelrecht hardrockig. Und dann eine knappe Stunde ein Akustikset, mit einigen der besonders stimmungsvollen Stücke.
Gegen Ende ging man dann zum "Generalangriff" über - den bekannten Tanz- und Hüpfnummern, die mit soviel Feuer gespielt wurden, dass auch nach drei Stunden die Halle immer noch bebte.
Überhaupt die Fans - hier war offensichtlich der harte Kern versammelt, denn vom ersten Auftritt bis zur letzten Minute ging das Publikum mit und erzeugte entsprechende Gänsehaut - auch bei der Band selbst. Eine der Stärken von Schandmaul ist sicherlich die Interaktion mit dem Publikum, das hier garnicht erst mitgerissen oder warmgespielt werden musste - die Stimmung kochte bereits, bevor die Band auf der Bühne war.
In der Zugabe kamen dann die Balladen, eine Spezialität der Band und ganz am Ende "Dein Anblick". Man könnte die Rührung von Sänger Thomas sichtlich in seiner Stimme hören.
Da ich Schandmaul mittlerweile bereits viermal Live gesehen habe, kann ich durchaus einen gewissen Vergleich wagen und feststellen, dass ich sie nie besser erlebt habe.
Bei diesem Konzert stimmte einfach alles - und es war in jeder Hinsicht ein würdiges Jubiläum und etwas Besonderes. Ich habe bislang nichts Vergleichbares erlebt.
Mehr Schandmaul aufs Maul geht nicht!
Wer das nicht glaubt, der sollte sich die im nächsten April erscheinende Live-DVD des Jubiläumskonzertes zulegen.
Als zusätzliche Anekdote sei vermerkt, dass das strenge Rauchverbot in Bayern seinen Beitrag zum Wohlbefinden in der Halle und zum Genuß geleistet hat.